Die laufenden Omas

Laufende Omas

Ich wuchs in Niederbayern auf und ging jeden Sonntag mit meiner Familie in die Kirche. In Erinnerung blieb mir, dass es eine höhere Macht gibt und dass Gott eine große Rolle im täglichen Leben spielte. Ich erinnere mich auch an alte verhärmte, dunkel gekleidete Menschen. Als Kind dachte ich dann immer: der liebe Gott will das bestimmt nicht, dass die alten Menschen so verbogen, so traurig und verbittert sind. Ich hatte ja noch keine Ahnung was die Menschen im Krieg erlebt hatten.

Später erkannte ich durch meine vielen Ausbildungen im Gesundheitswesen, dass die Menschen zum schweren Arbeiten und zum Sitzen erzogen wurden und dass sehr viele ein freudloses Leben führen. Die einseitige Belastung macht den Körper krumm und die fehlende Freude trübt die Stimmung der Seele.

So will ich nicht alt werden! Ich begann mich mehr zu bewegen, suchte nach Sportmöglichkeiten, Ausgleich von Be- und Entlastung, suchte nach Freude und Sinn. Mit der Zeit lernte ich gut für mich zu sorgen. Mit 55 begann ich dann intensiver zu trainieren: Triathlon als Hobbysport. Wagemutig meldete ich mich als laufende Oma im letzten Herbst zum Halbmarathon an und traf dort eine andere supernette laufende Oma mit ihrer Tochter, und so liefen wir unseren ersten Halbmarathon als laufende Omas. Es machte so viel Spaß gemeinsam zu laufen, und jetzt treffen wir uns regelmäßig zum Laufen. Wir inspirieren uns gegenseitig und andere. Bewegung, Arbeit und sich am Leben zu freuen, mit den Kindern zu lachen und mit den Enkeln zu spielen. Laufen und Spaß haben, das hält fit. Laufen verbindet.

Und wenn ihr Lust habt, meldet euch, wir sagen euch gerne wie das geht, frohe laufende Omas und Opas zu werden.

Viel Spaß und ein mobiles Jungbleiben in jedem Alter.

Gertrud Müller

Fakten, Fakten, Fakten.

Kluge Menschen glauben, mit Fakten alles belegen zu können. Und dennoch haben Fakten allein wenig Aussagekraft. Z.B. Die Fakten zeigen, Herr und Frau A sind seit 25 Jahren verheiratet. Der Faktencheck würde sagen: ganz klar, wenn zwei Menschen solange verheiratet sind, dann führen sie eine glückliche oder zumindest eine funktionierende Beziehung.

Vielleicht leben die beiden aber schon seit vielen Jahren getrennt, oder jeder hat einen anderen Partner, sie halten die Ehe auf dem Papier aufrecht, weil es anderweitige Vorteile gibt. Das, was nach außen hin sichtbar ist, zeigt noch lange nicht die Motive und die Gefühle der Beteiligten. Auch ein rechtmäßig abgeschlossener Vertrag kann von Vornherein oder im Nachhinein als unfair erlebt werden. Die Fakten sagen ganz klar, der Vertrag wurde rechtmäßig abgeschlossen und deshalb ist er nicht anfechtbar. Einer der Beteiligten oder sogar beide Vertragspartner erleben das jedoch nicht immer so, wie man an den vielen Gerichtsprozessen sieht. Was ist Recht? Ist ein Vertrag rechtmäßig oder ist er gerecht?

Bei allen Gesetzen und Fakten fehlt das Gefühl der Beteiligten. Menschen haben Gefühle, das ist genauso sicher, wie Menschen über einen Verstand verfügen. Verträge beachten jedoch nur den rationalen Aspekt. Rein gesetzlich und rational ist mancher Vertrag gerecht verhandelt worden, das kann mit Faktencheck sicher geprüft werden. Ob sich Verträge für die Beteiligten fair anfühlen, zeigt der Faktencheck nicht.

Wenn Verträge ungerecht empfunden werden, verlieren sie nicht ihre Gültigkeit, sie werden jedoch eher gebrochen und nicht eingehalten. Wenn ein Vertrag ausgehandelt wird, in dem Kinderarbeit gebilligt wird und Kinder ausgebeutet und geschlagen werden, ist der Vertrag extrem unfair, selbst wenn das die gültigen Länderrechte erlauben.

Ich habe zusätzlich zu geltenden rationalen Handelslogiken ein neues

Handels-Denken entwickelt: “Fair-Handeln” Infos dazu findet ihr unter www.survivalscales.de (Lebensintelligenz/Sozialkompetenz). Dort sind Infos zu den neuen Fair-Handeln-Scheinen. Mit diesen Scheinen kann jeder Vertragspartner prüfen, ob der Vertrag, die Abmachung, die geschlossen wurde, als fair erlebt wird. Ein guter Vertrag muss nicht nur gesetzlich korrekt sein, sondern er sollte sich auch fair anfühlen. Ob sich etwas fair oder unfair anfühlt, das kann der Faktencheck leider nicht überprüfen, das können nur die beiden Vertragspartner.

In diesem Sinne eine schöne und faire Woche

Gertrud Müller

Volljährig

Zurzeit erlebe ich mich als Bürger, wie früher als Teenager. Ich erinnere mich, wie sehr es mich gestört hat, fremdbestimmt zu sein. Immer Vorgaben: Bis 10 Uhr bist du zuhause, mit diesen Leuten triffst du dich nicht, den Wochenausflug können wir nicht erlauben, verhalte dich angepasst, du machst das, was wir sagen, die Regeln sind zu befolgen. Als Jugendliche hatte ich den Ausblick der Volljährigkeit und eine Perspektive. Wenn ich 18 bin, dann entscheide ich selbst wie sich das Leben gut anfühlt!

Klar, als junger Erwachsener trifft man auch Fehlentscheidungen, aber es waren eigene Fehlentscheidungen und bekanntlich wird man aus Fehlern klug und lernt daraus. Genau das können wir jetzt und in jeder anderen Krise lernen. Wir können lernen: wie fühlt sich das Leben gut an, welche Entscheidungen sind nützlich, welche eher schädlich?

Wenn ich zu schnell fahre, kann ich einen Unfall verursachen, wenn ich jemanden beleidige, geht diese Beziehung kaputt, wenn ich unfaire Geschäfte betreibe, vertraut mir niemand mehr. Kinder verstehen diese Wirkungszusammenhänge sehr gut. Können Eltern eigene Fehler eingestehen, versteht ein Kind den Sinn hinter den Erfahrungen der Eltern? Gespräche können als ehrlich wahrgenommen werden und nicht als unnütze Befehle. Ein Kind achtet und ehrt seine Eltern, wenn diese ehrlich und mit Achtung das Kind ins Leben begleiten. Bevormundete, gedemütigte und beschimpfte Kinder achten die Autorität der Eltern nicht mehr.

Von einer Bildung, die Freiheitsrechte und die Würde aller Kinder achtet, sind wir noch weit entfernt, von wertschätzenden Erwachsenen-Kind-Beziehungen ebenfalls. Eine wertschätzende Gesprächs- und Fehlerkultur ist kein Schulfach. Es würde gut in eine Demokratie passen, wenn Stellungnahmen von unterschiedlichen Standpunkten wertschätzend angehört würden.

Im Grundgesetz wird Menschenwürde als unantastbar bezeichnet und ein Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gewährt. Was bedeuten Menschenwürde und freie Entfaltung der Persönlichkeit im Alltag, in Krisenzeiten, in Bildungssystemen, für Pflegekräfte und Schwerkranke? Für Mitarbeiter in Schlachthöfen und in anderen prekären Arbeitsverhältnissen? Gibt es unterschiedliche Würden und Freiheiten für die Menschen? Gibt es eine Menschenwürde und eine Freiheit erster Klasse und einer zweiten Klasse? Wann fühlen sich Menschen gewürdigt?

Diese Krise bietet uns eine einmalige Chance. Wir können darüber sprechen, was Menschenwürde eigentlich ist. Was bedeutet Menschenwürde für dich, für mich? Was bedeutet Menschenwürde für Arme und Reiche, für Bürger, Journalisten, Politiker, Polizisten, für Ärzte und Wissenschaftler? Und was bedeutet Menschenwürde im Umgang mit der Natur?

Photo:Hubert Spiess

Wenn wir in Zukunft als verantwortungsbewusste, gesunde und sozial kompetente Erwachsene zusammenleben wollen, dann müssen wir selbst Sozial- und Lebenskompetenz lernen und den Kindern vermitteln. Lebenskompetenz bedeutet nicht Gehorsam und striktes Einhalten von Regeln. Sozialkompetenz hat nichts mit Beleidigung, Streit und Bevormundung zu tun. Erst wenn wir diesen Unterschied erkennen, werden wir Menschenwürde und Freiheitsrechte, die uns ein Gesetz gewährt, auch erleben. Volljährig wird man laut Gesetz mit einem Lebensalter von 18 Jahren.

Gibt es auch die volljährigen Bürger, die gelernt haben, was Freiheit und Menschenwürde bedeutet? Eines ist sicher, Menschenwürde und Freiheit bedeutet nicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen, sondern zuerst selbst zu lernen. Verhalte ich mich gerade würdig gegenüber meinem Mitmenschen, gewähre ich ihm seine Freiheit und achte zugleich meine Freiheit?

In diesem Sinne, eine wertvolle neue Woche auf dem Weg zu einer Gesellschaft mit volljährigen Bürgern.

Gertrud Müller

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Der Regenbogenhimmel

Auch in der Vergangenheit wurde die Menschheit von schweren Krisen heimgesucht. Und die Menschen erzählten sich Geschichten über Generationen weiter. In der Bibel wird die große Sintflut als Krise beschrieben, bei der alles Leben auf der Erde vernichtet wurde. Noah  war gut vorbereitet, er hatte auf Gottes Geheiß eine Arche gebaut und er überlebte mit seiner Familie und allen Tieren, die sich in der Arche befanden. Und die Erde erblühte wieder neu. Noah hatte nach der großen Flut ein Versprechen von Gott erhalten, dass nie wieder eine große Flut kommen würde. Und er schickte einen Regenbogen als Zeichen, dass sich die Menschen erinnerten, dass immer wieder alles gut wird.

Diese Woche entdeckte ich ein wunderschönes Bild von einem Regenbogen.  Dankenswerter Weise erhielt ich die Erlaubnis, das Foto zu veröffentlichen. Und so zeige ich diesen Regenbogenhimmel, als Symbol dafür, dass Krisen vorübergehen, das war früher so und das ist auch heute so. Und ich möchte noch eine schöne Geschichte von meinem kleinen Enkel erzählen.  Er spielt sehr gerne Astronaut und letzte Woche baute er in seinem Zimmer eine Rakete, die zum Mars fliegen kann, und er sagte: ”Ich fliege jetzt mit Mama auf den Mars, da gibt es keinen Virus!” Kinder sind so weise, sie wissen, dass man sich von Krisen wegbewegt und Krisen nicht dauerhaft dramatisiert. Mögen wir diese Corona-Krise überwinden und wieder ein gutes Leben finden, ohne Drama, ohne Übermäßigkeit, ohne Show, ohne Gier und frei von Prahlerei. Mögen wir ein gutes Leben finden, in dem es uns allen gut geht. Ein gelassenes und frohes Leben, in dem Werden und Vergehen akzeptiert wird. Ein Leben, in dem wir in Dankbarkeit die Natur und die anderen Wesen dieses Planeten achten.

Wann immer wir einen Regenbogen sehen, erinnern wir uns an Gottes Versprechen und daran, dass wir Menschen Krisen überstehen, dass wir aus Krisen lernen und dass wir nach der Krise ein neues und besseres Leben finden können.

In diesem Sinne eine gute und frohe Woche

Gertrud Müller

Photo: Gaby Werth

 

Eine wahre (Heilungs-)Geschichte

Nach ca. sechs Wochen Quarantäne im Seniorenheim durfte ich in dieser Woche das erste Mal mit meiner 91-jährigen Mutter spazieren gehen. Sie ist ganz in der Nähe meiner Wohnung in einer hervorragenden Einrichtung untergebracht. Während dieser Zeit der Quarantäne leisteten die Heimleitung und die Pflegekräfte noch wesentlich mehr als im normalen Ablauf. Sie organisierten im Hof ein Konzert, ermöglichten Videosprechstunden mit Angehörigen, servierten besonders liebevoll zubereitete Mahlzeiten und vieles mehr. Und trotzdem hat sich der Zustand meiner Mutter durch die Isolation drastisch verschlechtert.

Ich war schockiert als ich sie abholte. Ich empfand einen tiefen Weltschmerz und eine große Hilflosigkeit. Beides kenne ich schon aus meiner Kindheit, wenn etwas unveränderlich erschien, aber dieses Mal spürte ich ganz deutlich: Ich will nicht still sein! Ich grübelte stundenlang in der Nacht darüber, was ich tun könnte. Wie könnte ich meinen Schmerz auf wertschätzende und ehrliche Weise ausdrücken? Plötzlich erinnerte ich mich an ein Bild, das meine Mutter und meinen Enkel zeigt.

Nach der Geburt meines Enkels bat meine Tochter mich, niemals ein Foto von ihm in sozialen Netzwerken zu veröffentlichen; als ich ihr jedoch von meiner Idee erzählte, einen offenen Brief über meine Empfindungen und Wahrnehmungen zu schreiben und dieses, für uns so bedeutende Bild, zu veröffentlichen, stimmte sie sofort zu, ebenso meine Mutter.

Und so postete ich in dieser Woche meinen offenen Brief bei Facebook, ich nahm mit der Politikwissenschaftlerin Bettina Geitner ein Video auf und sendete den Brief an das Gesundheitsministerium und an die Süddeutsche Zeitung. Ich bin neugierig darauf, ob eine ungewöhnliche Heilungsgeschichte die Menschen auch heute noch berührt.

Vor drei Jahren lag meine Mutter mit einer schweren Sepsis in einer Klinik. Niemand glaubte, dass sie diese überleben würde. Meine Tochter wohnt in England, sie nahm umgehend den nächsten Flieger und kam mit ihrem Mann und ihrem Kind – meinem kleinen Enkel – in die Klinik. Wir legten behutsam meiner Mutter das Kind ins Bett, das sie so liebte. Und wir staunten! Uroma und Urenkel waren ein Herz und eine Seele und meine Mutter erholte sich jeden Tag ein wenig mehr.

Liebe kann heilen – auch heute noch. Falls Ihr euch für den Brief interessiert, schaut auf Facebook oder schreibt mir, ich sende ihn gerne zu.

In diesem Sinne eine liebevolle neue Woche

Dr. Gertrud Müller