Seit der Antike versuchen sich die Menschen vorzustellen, wer der Mensch ist. Diese Vorstellung des Menschen von sich selbst prägt die Handlung, die Wirkung der Handlung und damit die Realität. Wir stellten uns über lange Zeit vor, der Mensch könnte ein homo sapiens sein. Der weise Mensch, der wir gerne wären. Immer wieder streben Menschen an, den Zustand des weisen Menschen zu erreichen. Deshalb gibt es in der Geschichte viele Erzählungen über herausragende und weise Persönlichkeiten. Die Geschichte lehrt uns auch, dass es sehr grausame Menschen gibt, die weit davon entfernt sind, weise zu sein. In den Geschichtsbüchern wird beschrieben, wie viel Macht und Einfluss sich diese Menschen verschaffen konnten, weil sie andere gnadenlos unterwarfen. Und es gab und gibt genügend Mitläufer und Untertanen, die für gnadenlose Gebieter töten.
Eine andere Vorstellung, dass der Mensch Gott sein könnte, beschreibt Yuval Noah Harari im Buch HOMO DEUS. Auch dieses Menschenbild ist sehr verbreitet. Der gottgleiche Mensch, der die Welt und die Naturgesetze beherrscht und neu organisieren will. Von diesen Menschen gibt es z.Z. auch sehr viele. Das Problem ist nur, dass jeder dieser selbst ernannten Götter glaubt, er allein hätte das Rezept für die richtigen Handlungen, ja sogar für die neue Weltordnung.
Dazu gibt es übrigens einen schönen, sehenswerten Film “Bruce allmächtig”. Er zeigt, wie es aussieht, wenn Menschen glauben, sie hätten göttliche Fähigkeiten. In der Soziologie werden Menschenbilder beschrieben, die aktuell gelebt werden. Der homo oecomomicus, der Mensch der dem Geld nachläuft, eine weitverbreitete Spezies. Der emotional man, der Mensch, der alles über Gefühle regelt oder der Identitätsbehaupter, der ständig seine Identität zur Schau stellen muss.
Ich glaube, es würde uns Menschen guttun, wenn wir uns eine etwas bescheidenere Vorstellung des Menschen machten. Der Mensch der Zukunft könnte der lernende und kooperierende Mensch sein, Humanum est discipuli et cooperantem
Wenn wir uns als Menschheit eingestehen, dass wir vieles noch nicht wissen und Möglichkeiten haben Neues zu lernen, würde uns das den Druck nehmen immer der Beste, der Klügste und der Tollste sein zu müssen. Und wenn wir mit anderen kooperierten, dann fühlte sich das Leben nicht mehr so einsam an. Ich helfe anderen und kann vertrauen, dass andere mir helfen werden. Das Menschenbild von einem lernenden kooperierenden Menschen kann eine große Befreiung sein. Stellen Sie sich vor wie schön unsere Welt schon morgen sein könnte, wenn die großen mächtigen Herren dieser Welt heute die Vorstellung von sich hätten, lernende und kooperierende Wesen zu sein.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen die Fähigkeit täglich Neues zu lernen und die Freude anderen Menschen kooperativ und wertschätzend zu begegnen.
Eine lehrreiche und harmonische Woche
Gertrud Müller