Loslassen

Vor einigen Wochen bat mich eine Frau einen Blog über das Loslassen zu schreiben. Das mache ich sehr gern. Vor allem, weil ich merke, dass es vielen Menschen schwerfällt loszulassen, obwohl es recht einfach sein kann. Hier ein Beispiel: Wenn ich einen größeren Einkauf mache und die schweren Taschen schleppe und ziehe, ist das sehr mühsam. Wenn ich zuhause ankomme, die Taschen loslasse und auspacke, wenn ich alles an den richtigen Platz ordne, dann sind meine Hände wieder frei und ich kann mich einer anderen Sache widmen.

Im geistigen Sinne ist es ähnlich. Wir erleben vieles: Menschen, die uns freundlich begegnen, Menschen die ungeschickt sind; wir begegnen Menschen, die wir als rüpelhaft, achtlos oder gemein bezeichnen. Wir erleben Krankheit, Gefahren, hören schlechte Nachrichten und erleben viel Drama. Die meisten Menschen kennen ihre Mitmenschen nicht und urteilen dennoch über deren Verhalten. Im Leben kaufen wir Vorurteile, Meinungen und Glaubenssätze ein und wenige Menschen ordnen diese Meinungen, Vorurteile und Glaubenssätze, so verstricken sie sich miteinander zu einem wirren Gedanken- und Gefühlsknäuel. Diese wirren Gedanken und Gefühlsknäuel werden in jede neue Situation mitgenommen, wie schwere Einkaufstaschen. Ist es ein Wunder, dass wir Menschen, die so vollbepackt durch das Leben laufen und nicht mehr an Neues und Frisches denken, als seltsam wahrnehmen?

So wie wir den Einkauf heimtragen und ordnen, so ist es auch wichtig zu schauen: was habe ich heute für Gedanken und Gefühle bei meinen Erlebnissen eingepackt? Habe ich das erlebt, was ich erleben will? Wenn ich unschöne Dinge erlebe kann ich mich fragen: warum begebe ich mich in solche Situationen? Wenn ich „falsche“ Menschen treffen und mit ihnen spreche, kann ich überlegen: was genau hat mich gestört, warum hat es mich gestört, wie kann ich beim nächsten Mal mit der Situation anders umgehen? Wenn wir unsere Erlebnisse jeden Tag auspacken und einordnen, dann können wir loslassen und immer wertvolleres Fühlen, Denken und Handeln üben.

Und wenn wir das lang genug tun, dann können wir, wie der Held im Märchen, sagen: “Es war einmal, dass mich so viele Sorgen und Probleme belasteten. Jetzt bin ich frei und dankbar und freue mich auf jeden neuen und frischen Tag, auch, wenn mir wieder viele schwerbepackte Menschen begegnen.”

Eine schöne neue und frische Woche

Gertrud Müller

Photo: Susann