Der letzte große Kampf

Wenn man nach draußen schaut hat man den Eindruck der große Kampf hat begonnen: die Menschen verstricken sich in Kriege und Streit und sind berechtigterweise unzufrieden mit dem sozialen Zustand dieser Welt. Es regieren Ideale, die zu Ideologien verkommen, Beziehungen entarten zu Machtkämpfen. Die Sprache verkommt: vieles darf nicht mehr gesagt werden, einzelne Wörter werden durch Verbote aus dem Wortschatz entfernt, die überlieferte Sprache wird durch eine Normsprache ersetzt, wer nicht das sagt was die normierte Sprache zulässt, wir bestraft und ausgegrenzt. Umso aggressiver wehren sich die Menschen, die sich nicht bevormunden lassen wollen. Sprachen vermischen sich, Kulturen vermischen sich ohne Gelegenheit sich kennenzulernen. Das führt zu vielen Missverständnissen, verbalen Aggressionen und Gewalt, die in private Milieus ausgelebt und immer mehr auch auf die Straße getragen wird.

Es wird nach Lösungen gesucht: Eine konstruierte, globalisierte, digitalisierte, mit künstlicher Intelligenz aufgepeppte Kultur soll die scheinbar überholten gewachsenen Kulturen ersetzen. Ein Großteil der Menschen, die ihren Halt und ihren Lebensunterhalt in bisherigen Kulturbereichen und regionalen Milieus fanden sind maximal verunsichert und wissen nicht wie es weitergeht. Sie befürchten eine ihnen fremde Agenda soll durchgesetzt werden, sie werden dadurch beherrscht und bevormundet. Die Menschen können sich diese Agenda nicht vorstellen, verbinden damit eine reale und persönliche Bedrohung. So kämpft sich jeder auf seine Weise durch diese dystopische Welt.

Viele Menschen ziehen sich zurück, isolieren sich, schweigen, vereinsamen. Vor allem alte Menschen werden immer wieder schwer krank oder sogar tot in ihren Wohnungen gefunden. Sie haben kein soziales Umfeld, das ihnen hilft, sie fühlen sich zu fremd in einer Welt, die sie nicht mehr als die vertraute Welt erkennen. Viele fürchten sich ausgegrenzt zu werden, sie schließen sich den „modernen“ Vorgaben, dem großen Kampf an um dazu zu gehören und bekämpfen sich untereinander: Linke kämpfen gegen Rechte, Alte gegen Junge, Männer gegen Frauen, Woke gegen Traditionslisten, Ökos gegen Technik, Technik gegen Ökos, die Modernen gegen diejenigen, die der alten Weltordnung nachtrauern. So kämpfen sich die Menschen durchs Leben und bekämpfen sich gegenseitig.

Beim ständigen Kampf bilden sich Täter und Opfermuster, die einen fühlen sich bestärkt und wollen über andere herrschen, andere sind enttäuscht und wehren sich. Einige wollen Gott spielen wie es Yuval Harari in seinem Buch „Homo Deus“ beschreibt. Sie glauben die Welt beherrschen zu dürfen und zu können. Andere werden verrückt, degenerieren zum „Homo Demens“ wie Tom-Oliver Regenauer es in dem Buch gleichnamigen beschreibt. Wieder andere werden zu Normopathen: Menschen, die sich zwanghaft allen neuen Normen übermäßig anpassen. Der Psychiater Manfred Lütz erklärt diese Überangepasstheit sehr treffend in seinem Buch: „Irre wir behandeln die Falschen, das Problem sind die Normalen“.

Wieder andere haben sich im großen Kampf davon verabschiedet ihre Mitmenschen noch als Menschen wahrzunehmen, sie gewöhnen sich eine entmenschlichte Sprache an und sprechen von ihren Mitmenschen als Ratten, Brut, Kakerlaken, nutzlose Fresser, Schweine, Bestien, usw… In diesem äußerem Kampf können die Menschen keine Ruhe finden, sie erleben sich persönlich und in ihren Beziehungen irritiert, verlieren Vertrauen und Zuversicht, viele erkranken körperlich und psychisch. Die steigende Zahl der Übersterblichkeit in der Sterbestatistik und die Verdoppelung der Krankheitstage 2023 (lt. Krankenkassendaten) zeigt die gesellschaftliche Auswirkung sehr deutlich.

Was passiert in der Biologie des Menschen in diesem kollektiv erlebten Kampfmodus? Der natürlicher Wechsel von Anspannung und Entspannung geht verloren und wird ersetzt durch eine Daueranspannung. Das Stresshormon Cortisol wird in großen Mengen gebildet. Dadurch ist der Mensch in einem biologischen Zustand, wie wenn er sich dauernd auf den nächsten Kampf mit einem Säbelzahntiger vorbereiten müsste. Die Blutgerinnung ist erhöht, das Immunsystem und die Fortpflanzung wird auf Standby- Modus gesetzt. Das führt im Dauerzustand zu zahlreichen schweren körperlichen  Krankheiten, wie Herzinfarkt, Schlaganfälle, Infektionen und Krebserkrankungen.

Die Glückshormone der Zufriedenheit, der Ruhe, der Zärtlichkeit und der Erleichterung werden immer weniger ausgeschüttet, die Menschen fühlen sich chronisch überfordert, lustlos, freudlos. Immer mehr Menschen erkranken an Burnout; Psychosen, Depressionen und Suizide nehmen zu. Aus dieser Darstellung sehen wir, dass der äußere Kampf einen inneren Kampf in unserer Körperbiologie zur Folge hat, der uns kollektiv krank macht.

Trotz aller Negativität, gibt es auch immer eine gute Nachricht: Wir können daraus lernen. Wir verlassen die Kampfzone und beschließen, das war mein letzter Kampf. Diese Umstellung des Lebens vom kämpferischen auf ein friedliches, harmonisches Leben ist allerdings leichter gesagt als getan, weil auch die eigenen Gewohnheiten, Gefühle und Gedanken überdacht und überarbeitet werden müssen um dem Hamsterrad des Kampfes zu entkommen. Im nächsten Artikel beschreibe ich wie es gelingen kann die äußeren und inneren Kampfzonen zu verlassen, gesünder zu werden und glücklicher zu leben.

Einen schönen und möglichst harmonischen Start in den Frühling

Dr. Gertrud Müller M.A.

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