Es ist wieder kalt geworden. Ich erinnere mich an meine Jugendtage, an die langen Herbstabende: wir strickten Pullover, Schals, Handschuhe und Socken. Diese Art von Verstrickung war warm und angenehm.
Wenn sich eine Fliege in ein Spinnennetz verfängt und von der Spinne immer mehr im Netz verstrickt wird, ist der Zustand für die Fliege nicht angenehm. Es kommt also auf die Art der Verstrickung an, ob wir uns damit wohl, unwohl oder gefährdet fühlen. Nicht nur Spinnen verstricken ihre Beute, auch wir Menschen verstricken uns in Konflikte, in Kriege, in schädliche Systeme und irrationale Vorstellungen.
Photo: Franziska Neufeld
Bei einem gestrickten Pullover können wir die Verstrickungen wieder auftrennen, wenn sie nicht mehr hilfreich ist. Genauso können wir uns von falschen Überzeugungen, verworrenen Geschichten und Verflechtungen befreien, in die wir durch Familien, Religionen, Tradition oder durch eigene Vorstellungen geraten sind. Erst wenn wir alte Muster auflösen, können wir die Fäden entwirren und uns im wahrsten Sinne des Wortes entwickeln.
Wenn die Fliege sich aus dem Spinnennetz befreien kann, ist sie in der Lage, ihre Flügel zu entfalten; wenn die Raupe sich zum Schmetterling entfaltet, kann sie fliegen. Die Energien des Lebens sind in der Lage, sich zu Materie zu verfestigen. Materie ist in der Lage, immer wieder andere Formen anzunehmen. Materie kann sich wieder auflösen und umformen.
Auch wir Menschen können immer wieder neue Formen des Denkens und Fühlens lernen, wir können die Gefängnisse alter negativer Geschichten auflösen und uns aus konflikthaften Verstrickungen lösen. Nichts ist in Stein gemeißelt. Wenn wir das Leben immer wieder frisch und frei fließen lassen, können wir uns aus alten Schuld-, Scham- und Angstgeschichten befreien.
Möge es uns gelingen, uns zu befreien und gegenseitig Halt zu geben, damit das Leben wieder fließt.
Photo: Franziska Neufeld
Eine schöne und freie neue Woche mit vielen Entfaltungsmöglichkeiten
Gertrud Müller