Wenn die Kindheit zum Problem wird

Wenn Erwachsene Probleme in ihrem Leben haben, meinen die meisten Menschen, dass das nichts mit der Kindheit zu tun hat. Aber gerade in der Kindheit werden die wichtigsten Wahrnehmungs-, Beziehungs-, Gefühls-, und Handlungsprogramme erlernt, die im Erwachsenenalter automatisiert abgespult werden. Wächst ein Kind in einer Gesellschaft mit Rechtsverkehr auf und das andere mit Linksverkehr kann es das alte Programm in dem jeweils anderen Land kaum benützen, ohne sich selbst und andere zu gefährden.

Ganz ähnlich ist das mit Stressprogrammen, mit Vorstellungen, wie Beziehung gelebt werden sollen, wie Konflikte gelöst werden oder was wir unter den Sinn des Lebens verstehen. In freiheitlichen Gesellschaften müssen wir im alltäglichen Handeln diese unterschiedlichen Programme wechselseitig verstehen, aufeinander abstimmen und verhandeln; gelingt das, dann können wir gut zusammenleben, gelingt das nicht, entstehen Krankheit, Gewalt, Unfälle, Streit, Schicksalsschläge. Diktaturen und Religionen kommen seit tausenden von Jahren auf die Idee, das Lernen der kindlichen Programme zu vereinheitlichen um diese Unterschiede und die komplexe Lebensbewältigung im Erwachsenenalter leichter zu steuern.

Der genormte Mensch, so ist die Annahme, erleichtert die Formen des Zusammenlebens. Dass der einzelne Bürger dabei selbst Verantwortung für sein Handeln und seine Programme übernimmt, erscheint in einer machtorientierten Welt kaum denkbar. Einiges spricht dennoch für die persönliche Verantwortung. Der Arzt kann trotz bester Diagnostik nicht fühlen, wann und wie krank sich ein Mensch fühlt. Der Politiker kann nicht spüren, wie elend und depressiv die Menschen auf Maßnahmen reagieren, der Koch kann nicht schmecken ob seinem Gast das Essen mundet, der Arbeitgeber kann nicht entscheiden wann ein Mitarbeiter überfordert ist und der Liebhaber kann nur bedingt spüren, ob seine Lust auch vom geliebten Menschen geteilt wird. Wir werden immer über unsere Empfindungen kommunizieren müssen, wenn wir uns wirklich verstehen wollen. Wir werden uns niemals gleich und wie die anderen fühlen, auch wenn das für Politiker, Religionsführer, Arbeitgeber, Militärs, Polizei und Liebhaber sehr praktisch wäre.

Wäre es nicht sinnvoller, wir würden endlich akzeptieren, dass wir unterschiedliche Wesen sind und verschiedene Programme erlernen? Wir können sowohl unsere eigenen Programme als auch die unserer Mitmenschen achten. Und wir können unsere Programme wieder umlernen, wenn sie nicht mehr zum Leben passen. Wäre es nicht sinnvoll, wir würden unsere erlernten Programme kennenlernen und uns darüber austauschen? Ist es nicht viel interessanter, unsere wechselseitigen Programme zu verstehen, statt alle Menschen gleich zu schalten?

Ich wünsche uns allen viel Spaß beim Entdecken, Ausprobieren und Verändern der Programme, die in unseren Gehirnen gespeichert sind.

Gertrud Müller

P.S, den Blog gibt es ab jetzt immer auch in English, zu finden unter der deutschen Version, in der Kategorie International und auf der facebook https://www.facebook.com/Beuni_verse-105620394716006

 

When childhood becomes a problem

When adults encounter problems in life, most people deny that it has anything to do with childhood.  During childhood, the most important programs of perception, relationships, emotions and actions are learnt, which are then replayed automatically during adulthood.

If one child grows up in a society with right-hand traffic and another in a society with left-hand traffic, they each cannot use the other’s programs in the their respective countries without putting themselves and others at risk. Stress programmes, ideas about the workings of relationships, conflict resolution or the meaning of life work in similar ways.

In free societies, we have to understand, negotiate and agree upon each other’s programmes during daily life. Where this works, we can life together well. Where it doesn’t, illness, violence, accidents, arguments and strokes of fate take hold.

For thousands of years, dictatorships and religions have formed the idea to standardise learning of childhood programmes in order to enable control of these differences and the complex management of life during adulthood.

It is assumed that a standardised human makes coexistence easier. In a power- hungry world, it is almost unthinkable that each individual citizen takes responsibility for their actions and their programmes. However, there are many reasons for taking responsibility individually.  In spite of the best diagnostics, a doctor cannot feel how ill a person feels. A politician cannot sense the unhappy and depressed reaction of people to their measures. A chef cannot taste if their guest enjoys a meal, an employer cannot decide when employees are out of their depth and a lover can only somewhat feel whether their desire is shared by their partner.

We will always need to communicate our perceptions if we really want to understand each other. We will never feel the same as everyone else, even though this would make life easier for our politicians, religious leaders, employers, military, police and lovers. Would it not make more sense to finally accept that we are different beings with different programmes? This way, we could respect our own programmes as well as those of our fellow human beings. And we could re-learn our programmes when they no longer fit our life. Wouldn’t it make more sense to finally get to know our learnt programmes and to swap notes? Is it not much more interesting to understand each other’s programmes instead of making us all the same?

I am wishing us all a lot of fun with exploring, testing and changing those programmes saved on our brains’ hard drives.

Gertrud Müller