Weihnachten

Diese Woche hat mich eine Freundin gefragt, „was ist eigentlich das Besondere an Weihnachten, dass es so viele Menschen so tief berührt?“

Für mich ist das Besondere an Weihnachten, dass eine hoffnungsvolle und liebevolle Geschichte über Tausende von Jahren immer wieder erzählt und gefeiert wird. Die Menschen erzählen gerne Sensationsgeschichten, Grausamkeiten, Kriegs-, Sieger- und Verlierergeschichten. Menschen erzählen von den Machern, die etwas leisten, bauen, erfinden, von Staatschefs, von Reichen und Schönen, von Offizieren, die Schlachten gewinnen. Im Vordergrund der Weihnachtsgeschichte steht eine relativ irrationale Gelassenheit und Hingabe. Jeder der Beteiligten nimmt die Situation so an, wie sie ist.

Josef und Maria gehen trotz fortgeschrittener Schwangerschaft in die Stadt, die Weisen aus dem Morgenland folgen einem Stern, von dem sie glauben, dass er ihnen den Weg zu einem König weist und die Hirten teilen ihre wenigen Lebensgrundlagen mit Fremden.  Es existiert kein Geschrei über Recht und Unrecht, es entsteht kein Streit wegen der Statusunterschiede, keine Empörung bezüglich Religion oder Parteizugehörigkeit. Die Beteiligten planen keine Revolte, wollen keine Weltreiche erobern, sie tragen keine Waffen, sie bringen Geschenke mit.

Jeder in der Geschichte hätte Grund zu Empörung, zum Jammern oder evtl.  zur Aggression: Die Weisen sind lange gereist und finden nicht den erhofften König, Maria und Josef haben nur einen Stall als Quartier, die Hirten werden in der Nachtruhe gestört und fühlen sich aufgefordert das wenige, das sie haben zu teilen. In der Weihnachtsgeschichte bleiben alle trotz der Schwierigkeiten und der enttäuschten Erwartungen gelassen, freundlich, ruhig und friedlich. Jeder handelt zutiefst menschlich, tut einfach, was die Situation erfordert, was nützlich ist für alle.

Möglicherweise ist es das, was viele Menschen über Tausende von Jahren berührt, dass Menschen ganz natürlich und unbedarft menschlich sein dürfen und können.

Vielleicht können wir noch heute in der sogenannten Moderne von dieser Geschichte lernen: Auch wir sind momentan weltweit in Schwierigkeiten, viele Menschen sind enttäuscht, von der menschlichen Hybris und Unfähigkeit, viele Menschen entrüsten sich, wie unmenschlich Menschen sein können, wie ungerecht die Menschen Reichtum und Armut verteilen, wie grausam sie miteinander umgehen und wie töricht sie die wunderbare Natur, die eigenen Lebensgrundlagen zerstören. Wir wissen alle nicht wie es politisch, existentiell weitergeht, viele haben genug Grund zu klagen zu jammern und sich zu empören.

Möglicherweise kann es uns Menschen auch gelingen, mit Gelassenheit, Freundlichkeit in Ruhe und Frieden all die Schwierigkeiten zu überwinden. Möglicherweise gelingt es immer mehr Menschen Gelassenheit zu üben, gelassen zu werden, gelassen zu bleiben und das zu tun, was im Moment allen hilft. Nicht nur an Weihnachten!

In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein gelassenes Weihnachtsfest, gerade dann, wenn nicht alles so läuft wie erwartet, erhofft und erwünscht.

Schöne Weihnachten

Gertrud Müller